Erfurt OFC

Rot-Weiß Erfurt - OFC 3:0


Nach dem 1:0-Sieg gegen Trier rätselte man die ganze Woche über die Bedeutung jenes Spiels: War es lediglich das rein statistisch irgendwann einmal eintretende Ende einer Negativserie - oder war es die Wende?

Mit dem Wissen, daß die Wahrheit wohl in der Mitte liegt, und der Hoffnung, daß die Mitte eher in Richtung der Wende liegt, machte man sich auf in Richtung Erfurt. Im Steigerwaldstadion angekommen, fielen sogleich mehrere Dinge auf: die freundliche Polizei, die Flutlichtmasten ohne Licht (einer war sogar in der Mitte abgeknickt), ein WC-Häuschen, das nicht sonderlich feststand und daher bei Benutzung einen ordentlichen Seegang verursachte, sowie die Tatsache, daß es neben Stadien mit Bier oder alkoholfreiem Bier auch solche ganz ohne Bier gibt - dafür gab's dann aber Glühwein und Cola. Seltsam...

Nach dem obligatorischen Photographieren des weiten Runds (früher gab's hier mal 'ne 500-Meter-Bahn) warteten die etwa 400 Kickersnasen unter den insgesamt 3100 Zuschauern auf das, was sie heute erwarten sollte. Die erste Überraschung war die Mannschaftsaufstellung: Daß statt Roth nicht Köpper, sondern Lars Meyer spielte, konnte man ja noch akzeptieren; aber statt Saridogan Marcio? Nee. Ach ja, Glöckner spielte mit der Rückennummer 7 (Schmidt); hat jetzt etwa die Erste keinen vollständigen Satz Trikots mehr? Spenden sind willkommen...

Das Spiel begann, es passierte nix, auf beiden Seiten. Erst nach etwa zwanzig Minuten kam etwas Aufregung in die Bude: Im Kickersblock war man gerade bemüht zu verstehen, warum zwei Gruppen aneinander geraten waren (Traditionalisten vs Nachwuchsfans und die Frage, wer wen wann wie auffordern darf, Stimmung zu machen), als auf dem Spielfeld plötzlich eine Rote Karte entdeckt wurde - Tom Stohn. Erschrocken fragte man die Umherstehenden "Ei, haste was gesehe?" und nach einigem Fragen ergab sich als Antwort eine Tätlichkeit; ob nun in die Genitalien oder ins Gesicht, blieb ungeklärt. Fortan hatte man gegen den Eindruck anzukämpfen, der OFC würde bereits mit 0:1 hinten liegen; es stand ja immer noch 0:0, aber die Kickers hatten einen Mann weniger.

Nach einer halben Stunde die erste Auswechslung: Saridogan rein, Becker raus. Bedingt durch den Platzverweis spielten die Kickers nur noch mit einer Sturmspitze, die Position des Spielmachers wurde (anscheinend) von Marcio übernommen; vieles lief über ihn. Das heißt, nicht "über" ihn, sondern "bis zu" ihm. Das brasilianische Laufwunder war wieder einmal einer der schlechtesten, zwar stets bemüht, aber ohne Effizienz. Wahrscheinlich gibt's auf der Welt nur eine Handvoll Fußballer aus Brasilien, die nur laufen können - und einen davon haben die Kickers.

Es kam die Pause (Cola oder Glühwein?) und mit ihr viele lange Gesichter. Das sind normalerweise die Spiele, die man am Ende mit 0:2 verliert. Kaum hatte die zweite Hälfte begonnen, als nach einer RWE-Flanke ein Roter (die Kickers spielten in Grün) per Kopf das 0:1 erzielte. Mist, 46. Spielminute, wieder einmal den Anfang verpennt. Die nächsten 42 Minuten sind schnell berichtet, es reicht ein Wort: Regensburg. Kurz vor Ende wurde zunächst einmal die Halbzeit-Prophezeiung wahr, 0:2, nur soviel sei gesagt: Gute Torhüter halten auch einmal einen Unhaltbaren. Also wieder einmal verloren. Und damit man wieder richtig weiß, wo man steht, gab es noch die Nachspielzeit, in der im Fünfmeterraum der Kickers ein Ball zu Maier kam. Von den vier möglichen Himmelsrichtungen wählte er die, die ins eigene Tor führte, 0:3. Sah schön aus, hätte aber jedem der Kickersspieler passieren können - außer Marcio.

Der Großteil der Kickersfans nahm das Ergebnis ohne eine Gefühlsregung hin, man ist ja schließlich abgehärtet. Eine kleine Gruppe hingegen begab sich zum Zaun, um sich von den Spielern abklatschen zu lassen. Ja, sind wir denn hier bei Borussia Dortmund? Muß denn wirklich alles gefeiert werden? Und was wurde überhaupt gefeiert? Daß man 250 Kilometer gefahren ist? Daß man den Spielern einmal die Hand geben konnte, ohne daß diese sich die Mühe gemacht hätten, hierbei das Gespräch zu suchen? Es wäre ein Zeichen gewesen, auf die gezeigte Leistung mit einer ebensolchen Gleichgültigkeit von Fan-Seite aus zu reagieren. Nicht anschreien, nicht beschimpfen, nicht feiern, einfach: nix.

So trottete man mit hängendem Kopf zum Auto zurück. Wobei der Kopf wohl so tief hing, daß man von RWE'lern aufgemuntert werden mußte: "Kopf hoch", "Da, wo Ihr steht, waren wir vor zwei Wochen" usw. Man begab sich in die Stadt, wo der ganze Weihnachtsrummel das Verlorenheitsgefühl nur noch verstärkte. Was mach' ich hier eigentlich, warum singen die hier "Oh, du fröhliche", ich will heim.

Was bleibt, ist ein Heimspiel vor der Winterpause, gefolgt von einer langen Zeit, in der man sich erholen kann, in der man sich mental auf die restlichen 14 Spiele vorbereiten kann, und in der man hoffentlich neue Zuversicht gewinnen kann, daß diese unglückselige Saison nicht mit einem GAU endet.




"Wer kämpft, kann verlieren.
Wer nicht kämpft, hat schon verloren."
(B. Brecht)

Photos: Steigerwaldstadion


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