Wie schwedisch ist IKEA?

Gedanken über die Globalisierung und die Frage nach der Verantwortung


In Zeiten immer weiter um sich greifenden Konsumterrors zählt bekanntermaßen nur noch das Schnäppchen - schließlich ist der arme Bürger ja so geschröpft, daß er gar nicht mehr anders kann, als seine Konsumgelüste mit den billigsten Angeboten zu befriedigen. Konsumieren ist schließlich Menschenrecht.

Und wer ist schuld? Natürlich die Arbeitgeber, jene vaterlandslosen Verräter, die alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausbeuten, mit Arbeitsplatzabbau erpressen und am Ende die Produktion doch nach Fernost verlagern. Wenn die chinesischen Fernsehzuschauer schon den Eindruck haben, der Vorstandsvorsitzende von Siemens sei der deutsche Bundeskanzler... Böse Welt!

Als man kürzlich, wie in jedem Frühjahr, eine IKEA-Filiale besuchte, um sich dort für den Sommer mit Teelichtern einzudecken, fiel der Blick auf die Aufkleber, die auf allen Produkten zu finden sind: Produktnummer, Barcode - und Herkunft. Aha, Made in People's Republic of China. Oder Thailand, Indien, Pakistan. Und wenn's etwas ganz billiges war, auch mal Viet Nam. Wie kann das sein, IKEA ist doch schwedisch? Dort, wo die Bücherregale Nilsson oder Björn heißen, muß doch etwas Schwedisches, Deutsches, Europäisches zu finden sein... Fortan vergnügte man sich mit dem Spiel, jeden Artikel umzudrehen, um schließlich mit genügend IKEA-Erfahrung schon vorher zu tippen, wo er produziert wurde.

IKEA: Becher Alleby
IKEA: Becher Alleby: Made in germany

Vollkommen unerwartet geschah dann doch ein Wunder: Made in Germany - gesehen auf einem Porzellanbecher namens Alleby für 1.75 €, hergestellt von der bayrischen Firma Mitterteich. Sollte man ihn kaufen? Eigentlich war er nicht Bestandteil der strategischen Einkaufsplanung, auch war kein Bedarf für ein weiteres Trinkgefäß vorhanden, und dennoch: Aus Dokumentationsgründen entschied man sich für den Kauf.

Ein sehr bewegendes Erlebnis. Alle jammern über die bösen Reichen und Mächtigen, die nur daran denken, durch Vernichtung einheimischer Arbeitsplätze ihren Reichtum zu mehren, und was macht der Konsument? Ihm ist vollkommen gleichgültig, wo etwas produziert wurde, er kauft es - solange es billig ist. Vor allem bei IKEA.

Doch wer jetzt denkt, hier werde zu einem Boykott solcher Produkte aufgerufen, der irrt. Das wäre zu einfach. Kauft, was Ihr wollt, genießt Güter aus fremden Kulturkreisen (soviel zu dem Thema "Deutsche, kauft deutsche Bananen") und fragt Euch, ob Ihr für das Schnäppchen, das Ihr da gerade gemacht habt, bereit seit, demnächst Euren Arbeitsplatz in jenes Land auslagern zu lassen, in dem es produziert wurde.

Wenn Ihr diese Frage dann mit einem wohlwollenden Ja beantwortet, könnt Ihr weiterhin mit reinem Gewissen bei IKEA & Co einkaufen. Viel Spaß!




Was wurde aus den Teelichtern? Nichts, denn auch sie stammen aus der Volksrepublik China, und da man die oben formulierte Frage mit Nein beantwortete, wird man demnächst, wenn die Restbestände des Vorjahres verbraucht sind, erst einmal im Dunkeln sitzen. Aber wengistens mit einem guten Gewissen...



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