In Offenbach am Main üben die Kickers-Fans schon die Sprechchöre für das uralte, neue Haß-Lokalderby. Wie bitte? Die verhaßte Frankfurter Eintracht spielt immerhin noch in der zweiten Bundesliga, die Kickers dagegen zwei Klassen tiefer in der Oberliga. Doch im Dunstkreis des Bieberer Berges zweifeln nur noch wenige daran, daß die beiden sich im nächsten Jahr, der eine ab-, der andere aufgestiegen in der Regionalliga treffen werden. Und das wiederum lockt zum Vergleich. Es ist nur wenige Monate her, da steckten die Offenbacher Kickers ähnlich tief im Dreck. Der Konkurs stand unmittelbar bevor. Die Mannschaft schien auseinanderzulaufen. Doch dann kam ein neuer Trainer (Ronny Borchers), man riß sich zusammen, plötzlich waren der Sponsor, die Medien und vor allem die Fans wieder an Deck. Heute hat die Mannschaft bei ihren Auswärtsspielen soviel mitgereiste Anhänger wie mancher Verein bei keinem seiner Heimspiele. Wäre bei der Eintracht nebenan ähnliches möglich? Da ist Skepsis am Platz. Die Kickers waren in ganz Deutschland beliebt. In der Krise hagelte es besorgte, mitfühlende Briefe und Anrufe von überall. Die Frankfurter Eintracht wurde in guten Zeiten bewundert, wenn die Elf zauberte. Aber jetzt scheint die Schadenfreude zu überwiegen. Wie sagte neulich das Präsidiumsmitglied eines bedeutenden Vereins der Bundesliga im Gespräch: "Wo wir hinkommen bei den Spielen, überall wird man mehr oder weniger nett und freundschaftlich empfangen, nur in Frankfurt war es fast immer unangenehm." Und er fügte einen Ausdruck hinzu, den man hier nicht wiederholen kann, weil er den Tatbestand der Beleidigung erfüllen würde. Quelle: Die Welt, 9. November 1996 |