OFC 1860

OFC - TSV 1860 München (A) 2:2


Nach drei Siegen in Folge wuchs die Gefahr, daß nicht mehr jeder sich im Klaren darüber ist, wie die aktuelle Situation einzuschätzen ist: Trotz aller Erfolge für die Kickers wird es bis zum Saisonende spannend bleiben. Sicher, die in Siegen zu hörende Frage, wieviel Punkte denn der Tabellenzweite eigentlich habe, war nur scherzhaft gemeint und drückt wunderbar aus, wie verkorkst diese Saison ist, dennoch dürfen Mannschaft und Anhänger sich nicht über den mittlerweile erreichten Mittelfeldplatz hinwegtäuschen, schließlich sind's auch nur drei Punkte bis zum Abstieg.

Mit solchen Gedanken ging's hoch zum Bieberer Berg, wo an diesem Tag alles etwas zäh war: Das Stadion füllte sich nur sehr langsam (insgesamt kamen nur etwa zwei Drittel der in der Presse gehandelten zehntausend Zuschauer), die Stimmung kam nur schwer in die Gänge, und auch das Spielgeschehen war zunächst an Pomadigkeit nicht zu überbieten. Auswirkungen des Dauerregens der letzten Wochen? Aprildepressionen?

Es lief dieselbe Mannschaft wie zuletzt auf, und zunächst konnte man noch glauben, die Kickers würden erst einmal auf Sicherheit spielen. Schließlich war der Gegner nicht der abgeschlagene Tabellenletzte (wie Jena vor vierzehn Tagen), sondern eine Mannschaft, die immerhin eine Woche zuvor die Amateure des VfB Stuttgart besiegte. Außerdem sind Heimspiele in dieser Saison nicht gerade die große Stärke der Kickers... Das Spiel plätscherte vor sich hin, als einige Minuten vor der Pause ein gar nicht sonderlich gut geschossener Freistoß der 60er an Freund und Feind vorbei ins Tor einschlug, 0:1. Obwohl man in der ersten Halbzeit keinem der Kickersspieler direkt einen Vorwurf machen konnte, war die Mannschaftsleistung nicht ausreichend, um den nach den letzten Spielen geweckten Hoffnungen nahezukommen. Einzig der nasenbeingebrochene Ertl verdiente sich ein dickes Lob, der trotz Behinderung (eine Gesichtsmaske, die ein klein wenig an Hannibal Lecter aus dem "Schweigen der Lämmer" erinnerte) stets bemüht war, das Spiel nach vorne anzukurbeln.

Es begann die zweite Hälfte, es wurde erwartungsgemäß nicht ausgewechselt, und im Kickersblock stieg endlich die Stimmung. Ursache waren zwar vielmehr die Ergebnisse aus der Geld- und Aktienliga, insbesondere das der Unaussprechlichen, aber vielleicht brauchte man diese Initialzündung an diesem Tag. Wobei man sich allerdings daran erinnern sollte, daß man zunächst einmal Kickersfan ist, und danach erst Gegner irgendwelcher anderer Vereine. Sei's drum, wenn's hilft... Nach etwa einer Viertelstunde fiel dann auch nach einer Ecke der viel umjubelte Ausgleich, Torschütze Becker. Aha, es geht doch! Wahrscheinlich hätte mancher nix dagegen gehabt, wenn jetzt schon Schluß gewesen wäre, Hauptsache nicht verloren. Aber das Spiel ging weiter.

Eine Viertelstunde war noch zu spielen, als im Mittelfeld nach einem unglücklichen Foul der Schiedsrichter Binz die Rote Karte zeigte. Zwar war es ein Angriff von hinten und der Platzverweis damit regelkonform, aber irgendwie sah man sich in seinem Gerechtigkeitsempfinden gestört. Weg mit dieser "wenn von hinten, dann Rot"-Regel! Es kam noch dicker, einige Minuten vor Ende pennte die komplette Defensivabteilung, und nach einer Ecke konnte ein 60er unbeschwert zum 1:2 einköpfen. Sch...!

Doch endlich mal hatten die Kickers das Glück auf ihrer Seite, und nach einem kaum zu erkennden Foul an Dworschak zeigte der Unparteiische auf den Elfmeterpunkt. Wer wird schießen? Dama nahm sich den Ball, es dauerte und dauerte, man befürchtete das Schlimmste, es drehten sich soviele wie selten weg, man konnte es nicht mehr aushalten. Aber dann war's geschafft, der Ball lag im Netz, erneuter Ausgleich.

So galt es, nur noch die dreiminütige Nachspielzeit zu überstehen, insbesondere diesen Freistoß aus etwa 25 Metern vor dem Kickerstor. Nachdem die Mauer endlich stand, legte der Schiedsrichter den Ball noch mal einen halben Meter nach hinten, irgendwie seltsam. Will die Mauer nicht folgen, muß der Ball die neun Meter Abstand bringen? Aus Gedankenlosigkeit, Überlegung oder schlichtem Aberglauben legte ein Hellblauer den Ball wieder ein Stück nach vorn. Und der Pfeifenmann? Kommt herbeigetrabt, gibt Gelb, Ball wieder nach hinten. Nächster Spieler, wieder den Ball nach vorn gelegt, wieder Schiedsrichter, wieder Gelb, genauer gesagt Gelb-Rot. Selten blöd, wielange soll das noch so weitergehen? Im dritten Anlauf klappte es dann, heraus kam ein Kullerball, der diese Mühe wahrlich nicht wert war... Und so verging eine ungewöhnliche Nachspielzeit, in der ansonsten nix mehr passierte.

Nach dem Spiel erinnerte man sich an die erste Regionalligasaison anno 1997, als die Kickers gegen die 60er ebenfalls in der letzten Minute den 2:2-Ausgleich durch Kruse erzielten sowie an das Hinspiel, das vor einem halben Jahr unter ganz anderen Vorzeichen ebenfalls 2:2 ausging. Von daher kein ungewöhnliches Ergebnis, und da alle auf den vier Abstiegsplätzen stehenden Teams nicht über ein Unentschieden hinauskamen, hält sich der Schaden für die Kickers in Grenzen. Vielleicht war es sogar die notwendige Portion Schock, damit man die eingangs erwähnte Situation (wieder) richtig einzuschätzen weiß. In diesem Sinne: Auf nach Karlsruhe!



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