Union Berlin Bochum

FC Union Berlin - VfL Bochum 1:0 (i. Nsp.)


Berlin-Köpenick, Dezember 2000. Vor zehn Jahren war es noch etwas Besonderes, als es Kickers Offenbach wagte, die Großen zu ärgern und als erster Amateurverein in das Halbfinale des Deutschen Pokals einzuziehen.

In der Zwischenzeit hat sich aber einiges geändert: Die Großen wurden größer, und die Bedeutung des Pokals sank angesichts anderer geldwerter Aktivitäten wie Europaliga oder ran-/premiere- Diktatur auf ein Minimum. So hatten auch dieses Jahr wieder zwei Amateurclubs die Chance, sich als fünfter (oder auch sechster) Verein für das Halbfinale zu qualifizieren.

Hauptmann von Köpenick
Hauptmann von Köpenick

So stand man vor der Frage, wo man am ehesten den Amateurfußball unterstützen sollte: Im näherliegenden und eine Klasse tiefer spielenden Magdeburg (gegen den Ersten der Aktienliga) oder bei Union Berlin (gegen den Letzten). Da der persönliche Bedarf an rechtem Gedankengut nach dem Essen-Spiel erschöpft und die Wahrscheinlichkeit, das Vorurteil widerlegt zu bekommen, eher gering war, fiel die Entscheidung zugunsten der Berlin-Köpenicker. Es sollte nicht bereut werden...

Das Stadion

Ein reines Fußballstadion, nicht überdacht, ein paar Sitzplätze, ohne Blockeinteilung der Heimfans; eine offizielle Stadionzeitung, die 2.50 Mark kostete - und ihren Preis wert war, schon in Richtung ERWIN gehend. Bemrkenswert ist die Fankneipe, in der es unter anderem eine "Speakers' Corner" gibt: eine Pinnwand, an der jeder seine Meinung kundtun kann.

Die Zuschauer

Es gibt sie doch: Ostvereine, die nicht in das Klischee der rechten Dumpfbacken passen (dafür ist anscheinend der BFC Dynamo zuständig). Bemerkenswert: Selten kann man in einem Stadion beobachten, wie sich Taubstumme per Gebärdensprache über das Spiel unterhalten; nicht bei jedem Verein denkbar.

Die Stimmung

Kein Anton aus Tirol, dafür Tote Hosen - und Nina Hagen, von der die Vereinshymne stammt, in der gut die Befindlichkeit der Unioner ausgedrückt wird: "Wir aus dem Osten", "Wir lassen uns vom Westen nicht kaufen", aber auch(!) "Osten und Westen, unser Berlin". Anscheinend ist der Unioner primär nicht Ossi oder Wessi, er ist vor allem Berliner.

Das Spiel

Es war das Spiel eines motivierten, technisch Unterlegenen gegen einen lustlos spielenden, nie seine Spielklasse rechtfertigenden Erstligisten. Und wenn dann der Kleine noch die Frechheit besitzt, in der Nachspielzeit (92.) einen Freistoß nicht direkt aufs Tor zu hämmern, sondern elegant die Mauer zu umspielen, um dann im Rücken der Abwehr den Torschützen zu bedienen, dann ist der 1:0-Sieg erst recht verdient.




Eine kleine Anekdote zum Schluß:

Daß man aus dem Westen stammt, konnte ja vielleicht noch am Dialekt erkannt werden - aber auf jeden Fall daran, daß man nicht wußte, was es bedeutet, wenn jemand eine Anstecknadel vor dreißig Jahren "für 1.50 Mark EVP" kaufte. Auf Nachfrage wurde einem geholfen: "EVP" ist DDR-Deutsch und heißt "Einzelhandelsverkaufspreis". Fast schon eine Bildungsreise...

Photos: Stadion Alte Försterei


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