Borussia Mönchengladbach - FC St. Pauli 2:2Mönchengladbach, September 2001. Eigentlich galt für diese Saison das Motto: "ran" ist tot, Decoder sind böse, dieses Jahr keine Bundesliga. Aber irgendwie übte die Begegnung zwischen Mönchengladbach und St. Pauli einen gewissen Reiz aus, und über die Argumentation, daß beide Vereine ja erst aufgestiegen sind und der eine bereits jetzt fast schon wieder abgestiegen, erlaubte man sich, nach Gladbach zu fahren. Bei dieser Gelegenheit konnte man auch wieder den Bökelberg bestaunen, dessen Stadion sich so wohltuend abhebt von den anderen Arenen der Geld- und Aktienliga: Drei Tribünen mit Stehplätzen, keine Heizstrahler an der Decke (wie in Leverkusen) und keine Multimedia-Anzeigentafel mit dummen Werbefilmchen. Schade nur, daß all dies keinen Bestandsschutz hat, in einigen Jahren dürfte auch hier nix mehr davon zu sehen sein. Das Spiel begann, und schnell sahen die 31000 Zuschauer (davon etwa 1500 Gästefans), warum St. Pauli so weit unten in der Tabelle steht. Gladbach agierte, Pauli reagierte, nur ein Tor wollte nicht fallen. Dafür sollte aber ein Hamburger mit Gelb-Rot vom Platz, ohne vorher Gelb gesehen zu haben. Erst auf Hinweis des Linienrichters erkannte der Unparteiische seinen Fehler; wahrscheinlich aber zu spät: Im Fernsehen werden sie diese Szene genüßlich wiederholen und hinterfragen, ohne daß es dabei etwas zu hinterfragen gäbe. Fehler passieren eben. Es war eine gute halbe Stunde gespielt, als das erste Zwischenergebnis die Runde machte: 38:45 für (oder vielmehr gegen) Rot-Grün bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen, außerdem 17 % für die "Faschos". Wer nicht wußte, wer damit gemeint war, konnte die Antwort einem Transparent entnehmen: "Schill out". Ja, ja, politisch waren sie schon immer, die Fans von St. Pauli... Trotz der spielerischen Übermacht der Gastgeber ging es torlos in die Pause. Doch kaum waren nach Wiederanpfiff einige Minuten gespielt, da verübte ein Hamburger ein unnötiges Foul im Strafraum, Elfmeter für Gladbach. Schütze: van Lent, wer sonst, er war der auffälligste Spieler der Borussia. Schuß, Torwart, die Hamburger Fans springen vor Freude schon hoch, aber trotzdem Tor. Dennoch steckte St. Pauli nicht auf, kam kurze Zeit später zum Ausgleich, und selbst als in der letzten Viertelstunde die einzelnen Minuten nicht vergehen wollten und Gladbach Angriff um Angriff vortrug, war man ab einem gewissen Zeitpunkt zuversichtlich, einen Punkt zu gewinnen - oder wie der Paulianer sagt: zu "schnorren". Die reguläre Spieldauer war abgelaufen, es wurden zwei Minuten Nachspielzeit angezeigt, und auf einmal stand es 2:1 für Gladbach. Da kämpft und leidet man 90 Minuten lang, und dann so etwas. Ensetzen überall, wo man für St. Pauli war, auf den Rängen wie auf dem Spielfeld. Und trotzdem soll da noch einmal angepfiffen werden? Nee, man wollte nur noch heim. Aha, ein Freistoß für St. Pauli, vielleicht 25 Meter vor des Gegners Tor. Dennoch, jetzt noch an eine erneute Wende zu hoffen oder gar zu glauben, war nicht möglich, das kann nicht sein. Schuß, der Ball wird wohl mehrfach abgefälscht, jedenfalls kommt er über einen Zick-Zack-Umweg in den Strafraum und kullert seelenruhig in Richtung Torecke. Und kullert und kullert. Geht der Ball rein oder nicht? In einer ewig dauernden Sekunde entschied man sich mehrfach um, ja, nein, ja, nein - und dann war er drin. Nicht zu glauben, deswegen also hat der Fußballgott nicht eine, sondern zwei Minuten nachspielen lassen. Diese Momente sind es, die keine Fernsehkamera der Welt einfangen kann, und die auch in Jahrzehnten noch den Unterschied ausmachen zwischen Stadionbesuchern und Sesselfurzern. Und der ungewöhnlichste Verein der Liga? Das Herz von St. Pauli - es schlägt wieder: Immerhin schon Vorletzter, vielleicht reicht es ja doch noch für den Klassenerhalt; wobei es aber die Frage zu beantworten gilt, ob man Vereinen wie St. Pauli eine vom Kommerz bestimmte Fernsehliga zumuten will... |