OFC Ansbach

OFC - SpVgg. Ansbach 4:1


Die morgendliche Überraschung war groß, als man beim Aufschlagen der Offenbach-Post die Schlagzeile las: "'Kein Angsthasenfußball' - aber defensive Ausrichtung". Zwar ist Trainer Berndroth bekannt dafür, daß er die Kickers (noch) keinen Hurra-Fußball spielen läßt, aber defensive Ausrichtung? Dann auch noch zuhause? Gegen den Viertletzten aus Ansbach? Doch schnell kam die Entwarnung, der Artikel handelte gar nicht von den Kickers, vielmehr war es ein Vorbericht zum Spiel der DFB-Elf in der Ukraine...

Ganz im Gegensatz zur Taktik der Nationalmannschaft hatten die Kickers eine sehr offensive Aufstellung. Mit den drei Stürmern Würll, Schindler und Tonello(!) sowie mit Naciri hinter den Spitzen durfte man sich auf ein interessantes Spiel freuen - zumal die Rahmenbedingungen stimmten: Freitag abend, Flutlicht, Bengalos im Block. Einzig die vorwinterliche Kälte schreckte manch einen ab, ins Stadion zu gehen; zwar waren die Stehplätze (also dort, wo man sich durch Bewegung aufwärmen kann) gut besucht wie immer, doch Orion- und Haupttribüne litten stark unter den Temperaturen um den Gefierpunkt. Egal, die 5500 Zuschauer, die da waren, wollten sich die Laune nicht verderben lassen, und der Tip 4:0 war öfters als nur einmal zu hören...

Kaum hatten sich die Rauchschwaden der Bengalos verzogen, mußte man sich erneut die Augen reiben: Zweite Minute, 0:1, Tor für Ansbach nach einer Unsicherheit von Ersatztorwart Keffel. Teufel noch mal, normalerweise sind es doch die Kickers, die, wie etwa gegen Hoffenheim, die frühen Tore schießen, nicht der Gegner. Was tun? Die Mannschaft tat das einzig richtige, sie spielte so weiter, als ob es nachwievor 0:0 stehen würde. Angriff um Angriff rollte in Richtung Gästetor, und bevor der Zeitpunkt kam, an dem die Stimmung der Fans hätte kippen können, war es Tonello, der mit zwei Toren den Spieß umdrehte. Wunderbar, da hat Würll seit einigen Spielen eine "Ich treff das Tor nicht"-Krise, und was macht Trainer Berndroth? Die Frage "Würll oder Tonello?" beantwortet er mit einem klaren "Würll und Tonello", und daß der neu in die Mannschaft Gekommene gleich zwei Tore macht, ist wahrscheinlich auch irgendwo ein Verdienst dieses Trainers. Zu diesem Lob paßt genauso das bemerkenswerte Debut von Dexter Langen, der in seinem ersten Spiel von Beginn an trotz einzelner Fehler eine sehr starke Partie zeigte: stets anspielbereit, mit einem sehr hohen Laufpensum, und dann auch noch auf der für ihn ungewohnten linken Seite. Solange Becker (mittlerweise mit der Diagnose Kreuzbandanriß) noch ausfällt, haben die Kickers mit Langen eine sehr gute Alternative zu den Fast-Fehleinkäufen Alderidgi und Corrochano.

Zwar fehlte zur Pause das beruhigende dritte Tor, doch eigentlich dürfte gegen diesen Gegner nix mehr anbrennen. Und die haben wirklich schon dreimal auswärts (u. a. in Trier und Erfurt) gewonnen? Die zweite Hälfte begann etwas verhaltener, aber ein Aufbäumen der Mittelfranken blieb aus. Überragender Spieler war Dworschak, der so langsam aber sicher in die Rolle eines Spielmachers hineinwächst; irgendwann fiel dem Betrachter nix anderes mehr ein als das Kompliment "Kampfsau". Wie sagte schon Trainer Berndroth vor dem Burghausen-Spiel über den SV Wacker? "Die haben ein, zwei Dworschaks mehr als wir." Wie wahr, wer solche Spieler hat, der hat auch in schwierigen Zeiten nichts zu befürchten.

Nach einer guten Stunde dann die Entscheidung: Kein anderer als Würll war es, der im Stile eines echten Torjägers zum 3:1 ins Tor traf. Von wegen Krise, man braucht einfach nur Geduld - und einen Trainer, der diese hat. Das Spiel war gelaufen, für Tonello, der mit großem Applaus verabschiedet wurde, kam zur Absicherung des Ergebnisses Barletta in die Mannschaft. Wenig später gab es erneut Anlaß zur Freude: Der nach seinem Kreuzbandriß so lange vermißte Oliver Speth wurde eingewechselt. Vor wenigen Wochen erst sein Comeback bei der Zweiten, dann die Zerrung gegen Waldmichelbach, und jetzt wieder im Einsatz für die Erste. Und als ob er allen zeigen wollte, wie sehr auch er sich freut, war seine erste Aktion ein weit getretener Freistoß von der linken Seite; zwar ohne Erfolg, doch kurz vor Ende des Spiels war er mitbeteiligt am vierten Tor der Kickers. Nach einem schönen Paß Speths auf Dworschak wurde dieser im Strafraum gefoult, Elfmeter (zugegeben, etwas glücklich war diese Entscheidung schon). Selbstbewußt nahm sich Speth den Ball, Anfeuerungsrufe aus dem Fanblock, doch letzten Endes war es dann doch Würll, der antrat. Leise Pfiffe, aber gut, Würll braucht das Selbstvertrauen zur Zeit weit mehr als Speth. Das 4:1 war Formsache, und als wenige Minuten später der Schiedsrichter die Begegnung abpfiff, konnte man endlich wieder einmal nach einem Heimspiel rundum zufrieden sein.

Wenn man die letzten 88 Minuten nimmt, hatten sogar die, die vor dem Spiel 4:0 getippt hatten, recht behalten...



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