OFC Pfullendorf

OFC - SC Pfullendorf 2:4


Nach dem Sieg in Schweinfurt hofften die Kickersfans, daß nun die Wende geschafft sei und daß die Tabellenpostion bis zur Winterpause weiter verbessert werden könne. Insofern sollte der heutige Gegner aus Pfullendorf eine durchaus lösbare Aufgabe darstellen, zumal eine Bilanz von erst vier Auswärtspunkten keineswegs so furchteinflößend war.

Etwa 4200 Zuschauer, darunter ein gutes Dutzend vom Bodensee, machten sich auf zum Bieberer Berg, um das letzte Heimspiel der Vorrunde zu sehen. Nachdem Stadionsprecher Mörschel und sein Event-Team in einer Fansitzung während der Woche harte Kritik an ihrem Unterhaltungs- und Werbeprogramm einstecken mußten, war man auf Fanseite gespannt, ob die von "Sachzwängen" (Mörschel) eingespannten Gute-Stimmung-Organisatoren etwas ändern würden. Und tatsächlich: Die letzten Minuten vor dem Anpfiff gehörten den Fans, die das Angebot (und die damit verbundene Bewährung) zunächst gar nicht bemerkten und dieses dann nur zögerlich annahmen. Soweit ist also die Zerstörung der Fußballkultur schon fortgeschritten - da bleibt nur zu hoffen, daß man wenigstens noch ein paar Chancen mehr bekommt, diese wiederzubeleben, und daß nicht bereits beim nächsten Mal zum alten Status zurückgekehrt wird.

Kaum hatte das Spiel begonnen, da war schon der Teufel los: Dritte Minute, und fast hätte es 1:0 für die Kickers gestanden. Doch leider wartete die Glücksfee wohl noch an der Stadionkasse, und nach drei weiteren Minuten fiel ein Tor - für die Gäste. Wie kann denn das möglich sein? Aber an einem Freitagabend unter Flutlicht kann ein solch frühes Gegentor niemanden ernsthaft erschüttern, man bemühte vielmehr wieder die Geschichte und legte sich auf einen 4:1-Sieg der Kickers fest - so wie im letzten Vorrundenspiel der vergangenen Saison gegen Ansbach.

Zwar waren die endlich wieder in Rot-Weiß spielenden Kickers nach dem frühen Rückstand geschockt und verunsichert, es lief nicht allzu viel zusammen, doch noch rechtzeitig vor der Pause erzielte Petry nach einem schönen Spielzug und auf Vorlage von Dworschak den Ausgleich (42. Minute). Alles war wieder in Ordnung, die Aufholjagd war eröffnet.

Nach Wiederanpfiff sollte es im gleichen Tempo weitergehen: Man schrieb die 52. Minute, als ein erneut überragender Müller im Strafraum der Gäste die Gegenspieler austanzte, so daß selbst den Zuschauern schwindlig wurde, und dann auch noch die Übersicht besaß, mustergültig Dworschak zu bedienen, der schließlich zur 2:1-Führung ins Tor traf. Wahnsinn, das Leben ist schön, Fußball ist schön, die Kickers sowieso!

Während die Fans noch damit beschäftigt waren, die Bekanntgabe des Torschützen um jene des Vorlagengebers zu erweitern, da gab es vor der Orion-Tribüne Freistoß für Pfullendorf aus nahezu unmöglicher Position, nahe der Torauslinie. Doch Torwart Thier, der bereits gegen Wehen und Erfurt nicht den allersichersten Eindruck hinterließ, verkannte die Situation, und so landete der Ball direkt im Tor, erneuter Ausgleich. Tja, in Freitagsspielen gibt's eben nicht nur gute Stimmung (und eher selten hohe Siege), sondern vor allem viel, viel Aufregung...

Dem Optimismus blieb man treu, und so wurde das 2001er Ansbach (4:1) rasch in ein 1998er Ditzingen (4:3) umetikettiert. Doch nicht jeder hatte soviel Nerven, einige wurden unruhig oder gar hysterisch, andere begannen damit, gegen die Mannschaft zu wettern. Unrühmlicher Höhepunkt war die Art und Weise, wie Naciri von einigen Fans aus dem Spiel gemobbt wurde - wobei es keine Rolle zu spielen schien, daß mit Saridogan ein Spieler eingewechselt wurde, der in bezug auf den OFC mittlerweile wohl als hoffnungsloser Fall einzustufen ist.

Zwanzig Minuten vor dem Ende fiel das 2:3, oh nein. Selbst wenn die revidierte Prognose immer noch Wirklichkeit werden konnte, so begann dennoch langsam, die Zeit davonzulaufen. Sollte man wirklich die bereits vierte(!) 2:3-Heimniederlage in dieser Saison erleben? Gegen Pfullendorf? Gegen jene Mannschaft mit den erst vier Auswärtspunkten? Wie war das in Saarbrücken, hatten die da nicht sogar mit 5:1 gewonnen? Wenigstens einen Punkt wollte man hier behalten. Aber es kam noch schlimmer, nach einer desaströsen Abwehraktion, in der der ansonsten wirklich gute Corrochano die Hauptrolle spielte, stand es 2:4 - oder um es mit einem Titel der Doors zu umzuschreiben: This is the End. Die letzten fünf Minuten sehnte man sich aus Angst vor einer noch höheren Niederlage den Schlußpfiff herbei (oder ging einfach früher), und jedem war klar, daß unmittelbar nach Spielende die Diskussionen anfangen werden: Trainer, Mannschaft, Finanzen usw.

Über den Verlauf dieser Diskussionen ließen sich ganze Bücher schreiben, jeder hat irgendwo mit irgendeinem Argument irgendwie recht, dennoch soll zum Abschluß dieses Spielberichts nur kurz darauf eingegangen werden.

Abstieg in die Oberliga

Die Aussage "So sind die Kickers oberligareif" ist richtig - aber mit Betonung auf "so". Absteigen werden sie nur dann, wenn sie immer "so" spielen wie heute - was sie aber nicht tun. Die Entwicklung der letzten Wochen zeigt eindeutig nach oben, und warum sollte es nun, nach einem Spiel, wieder bergab gegen? Selbst wenn es nach dieser Niederlage hart an der Grenze zum Sarkasmus ist, muß dennoch festgestellt werden, daß vor einigen Wochen der OFC aus jeweils zwei Spielen nur zwei Punkte geholt hatte, nun sind es dank des Sieges in Schweinfurt schon drei. Endlich keine Unentschieden mehr!

Die Mannschaft

Lieblingsthese eines jeden Nörglers nach einer Niederlage ist die Unterstellung: "Die wollen ja nicht." Warum hat dann Zitouni nach dem 2:4 noch den Ball aus dem Netz geholt und ist damit zum Anstoßpunkt gerannt? Es gab Spiele (Burghausen 0:5), da hat der OFC nach wenigen Minuten hinten gelegen, um dann 85 Minuten lang sich kampflos seinem Schicksal zu ergeben. Es gab schlimmere Niederlagen, es gab schlimmere Spieler!

Einzelkritiken

Natürlich ist Naciri kein überragender Spieler, aber muß er deshalb von den Fans so gedemütigt werden, wie es im Spiel geschehen ist? Kann es verwundern, daß Lorenz verunsichert ist, nachdem sein Präsident höchstpersönlich ihn auf die Abschußliste gesetzt hatte? Warum darf nicht auch einmal Torwart Thier, der den Kickers schon viele Punkte gerettet hat, in einer Krise stecken? Diese Liste ließe sich fast beliebig fortsetzen.

Neue Spieler

Alles eine Frage des Geldes. Mit Thier, Zitouni und Dworschak gibt es zwar nur drei gestandene Spieler (von denen leider keiner im Sturm spielt), aber mehr als einen Neuen wird sich der Verein nicht leisten können.

Spielerische Mängel

Sicher, der Unmut vieler Fans ist nachzuvollziehen, ein Eckballverhältnis von 17:2, bei dem nicht die kleinste Torchance herauskommt, ist schwach, nicht zu entschuldigen und erinnert fatalerweise an jenes St. Pauli-Spiel der DSF-Liga, das die Kickers mit 0:1 verloren hatten. Doch daraus zu schließen, der Trainer würde dies nicht erkennen und würde nicht genügend Ecken trainieren, ist voreilig. Wieviele von denen, die dies bemängeln, haben jemals ein Training besucht?

Trainer Berndroth

Das Thema der nächsten Wochen, leider. Statt nun alle Argumente Pro und Contra aufzuführen, sei hier an den Pragmatismus appelliert. Davon ausgehend, daß diese Mannschaft nicht wesentlich verstärkt werden kann, ist dann davon auszugehen, daß ein neuer Trainer diese Spieler mehr motivieren und ihnen mehr spielerische Klasse vermitteln kann, als es Trainer Berndroth kann? Wenn ja, wer ist dieser Mann? Ohne Beantwortung dieser Frage würde das Austauschen des Trainers nur eines bewirken: Die Wiederholung der 2000er Hinrunde mit ihren fünf Trainerwechseln - und dann wären am Ende die Kickers wirklich in der Oberliga angekommen.




Zum Schluß noch eine nachdenklich stimmende Begegenheit von der Zweiten Mannschaft: Nach der unglücklichen Niederlage des B-Teams beim FC Bayern Alzenau (1:2) sah man am Spielfeldrand einen Kickers-Spieler sitzen, der mit den Nerven fertig war und dem nur mit viel Mühe Mut gespendet werden konnte. Doch es war nicht das Ergebnis, das Sabanovic so erschütterte, sondern vielmehr seine private Situation: In der Presse schon hochgejubelt und damit unter Druck gesetzt, muß er zur Zeit damit fertig werden, daß seine Eltern abgeschoben wurden und er nun mit 18 Jahren vollkommen auf sich allein gestellt ist. Mit diesem Wissen erscheint alle Kritik der letzten Wochen an seiner Spielweise als unangemessen, und all jene, die vorschnell ihre Meinung als absolute Wahrheit verkaufen, ohne sich um alle Aspekte eines Problems gekümmert zu haben, sollten sich daran erinnern, daß hier immer noch real existierende Menschen auf dem Rasen stehen - die zumindest außerhalb der Geld- und Aktienliga andere Sorgen haben als die Kosten für den Ölwechsel ihres Ferraris.



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