Theater & Oper: Tagebuch 2008


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 TheaterstückA: Autor
R: Regisseur
K: Komponist
D: Dirigent
C: Choreograph
P: Produktion
TheaterNoteKommentar
Januar Die Entführung aus dem Serail K: Wolfgang Amadeus Mozart
R: Christof Loy
D: Erik Nielsen
Oper Fr. 8 Nach Wagner und Debussy nun eine Arienoper. Auch nicht schlecht! Und dank der ausgedehnten Schauspielpassagen nicht nur hörens-, sondern auch sehenswert.
Hexenjagd A: Arthur Miller
R: Martin Nimz
Schauspiel Fr., Großes Haus 9 So viel physiche Gewalt war selten auf der Bühne. Und selten war sie so notwendig, um die psychische Gewalt einer Gesellschaft zu zeigen, in der man entweder nur gut oder nur böse ist.
Clockwork Orange A: Anthony Burgess
R: Tobias Materna
Staatstheater Wiesbaden, Wartburg 8 Schade für die hervorragendenden Schauspieler und die interessante Inszenierung, daß wie schon bei Kubricks Film die Handlung nicht in den Gulliver wollte. Was bleibt, ist die Erkenntnis, daß man gekochte Eier auch mit Schale essen kann...
Christmas A: Simon Stephens
R: Matthias Fontheim
Staatstheater Mainz, TiC 8 Das Leben ist nicht perfekt, und die Menschen, die man in ihm trifft, auch nicht. Man kann deshalb entweder verzweifeln - oder beispielsweise ins nächste Pub gehen, um Leben und Menschen kennenzulernen. Dazu muß nicht einmal Weihnachten sein.
Jetzt und in Ewigkeit A: Christoph Nußbaumeder
R: Burkhard C. Kosminski
Nationaltheater Mannheim, Schauspielhaus 6 So verloren die Schauspieler in der Weite der Bühne waren, so zusammenhanglos erschienen die Szenen des Stücks - keine ausreichende Motivation, aus der Handlung neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Februar Der alte Tänzer und ich haben Liebe gemacht A: Tomo Mirko Pavlovic
R: Martin Ratzinger
Staatstheater Darmstadt, Kammerspiele 8 Da bekamen die Mittdreißiger ganz gehörig den Spiegel vorgehalten - und in all ihrem Haben-Wollen und Sein-Wollen war es nicht zu ihrem Vorteil. Andererseits: Wird man in vierzig Jahren vielleicht ähnliches über die dann eigene Generation der Älteren schreiben?
Der Prozeß A: Franz Kafka
R: Reinhard Hinzpeter
Freies Schauspiel Fr. 9 So hörte Josef K. die Geschichte vom Türhüter, der das Gesetz bewachte, und man begleitete ihn zu jener Stätte, an der er im letzten seiner Momente eine große Scham verspürte: Er war schon lange Zeit nackt gewesen.
Schonzeit A: Andreas Jungwirth
R: Ina Annett Keppel
Staatstheater Darmstadt, Kammerspiele 8 Man sollte nicht immer glauben, bereits die ganze Geschichte zu kennen - selbst wenn es sich um die wohlbekannte vom Rotkäppchen handelt, bei der Gut und Böse doch offensichtlich so klar verteilt sind. Kann man als Erkenntnis auch auf das Leben übertragen...
Breaking News A, R: Helgard Haug, Daniel Wetzel
P: Rimini Apparat
Schauspiel Fr., Kleines Haus 10 Dokumentartheater. Live. Aus aller Welt. Und nie waren die Bilder der Fernsehnachrichten so überflüssig... Es lebe das Radio! Es lebe das Theater!
März Hôtel du Nord R, C: Mei Hong Lin Staatstheater Darmstadt, Kleines Haus 9 Zwei fremde Wesen, die um des Menschen Beachtung streiten: Die Vergangenheit, die den Menschen verfolgt und ihn immer nur zurückblicken läßt, gegen die Zukunft, die ihn herausfordert und der er sich ständig stellen muß. Wie aber kann selbst der Ängstliche von diesem Wettstreit profitieren?
4 Millionen Türen A: Martin Heckmanns, Thomas Melle
R: Konstanze Kappenstein
Nationaltheater Mannheim, Studio Werkhaus 6 Ein boshaft gemeintes Stück über eine Gesellschaft, die nicht mehr die Menschen wahrnimmt, sondern nur noch ihre positiven und negativen Eigenschaften bewertet - doch leider fehlte die Boshaftigkeit.
April Welche Droge paßt zu mir? A: Kai Hensel
R: Martin Ratzinger
Staatstheater Darmstadt, Bar der Kammerspiele 7 Solange man noch die Hoffnung auf ein Leben hat, wie man es mit Drogen vorübergehend sieht (oder meint zu sehen), solange kann man getrost auch ohne Drogen leben - da verhält es sich mit dem Leben nicht anders als mit dem Glauben an Gott.
Hamlet, Prinz von Dänemark A: William Shakespeare
R: Michael Helle
Staatstheater Darmstadt, Kleines Haus 8 Zwar ist es nicht die Schuld des Hamlet-Schauspielers, auszusehen wie Jürgen Klinsmann und damit als Sympathieträger auszufallen, aber den Text der an Bildern reichen Sprache Shakespeares hätte er schon beherrschen können: Sein oder Nichtsein... Da war die Verkörperung von Gut und Böse in den Nebenrollen des Horatio und des Polonius schon deutlich spannender.
Parsifal K: Richard Wagner
R: John Dew
D: Stefan Blunier
Staatstheater Darmstadt, Großes Haus 8 Soll im Wettstreit der Religion und der Philosophie die Kunst helfend eingreifen? Oder gleich an die Stelle der Religion treten, welche zwar Erlösung bieten, aber nicht zu vermitteln mag? In einer die Gegensätze betonenden Inszenierung waren es diesmal Parsifal und die Kundry des ersten Akts, die am besten gefielen - ganz anders als der zum Nietzsche gewordene Klingsor.
Ein Inspektor kommt A: John Boynton Priestley
R: Peter Hailer
Staatstheater Darmstadt, Kleines Haus 9 Verantwortung trägt man nicht nur für die Folgen seines Handelns, sondern bereits für dessen potentielle Folgen. Und da dies nicht nur ein Problem der "da oben" ist, habe auch ich Grund genug, ein schlechtes Gewissen zu haben.
Der fliegende Holländer K: Richard Wagner
R: Gregor Horres
D: Friedemann Layer
Nationaltheater Mannheim, Opernhaus 8 Zurück auf dem Schlachtfeld der umgeworfenen Stühle blieben ein eher erschöpfter als erlöster Holländer sowie die nach dem Ausbruch der Senta aus ihrer Welt ratlosen, vielleicht sich ihrer Verantwortung bewußt werdenden Angehörigen.
Mai Das Mißverständnis A: Albert Camus
R: Florian B. Reiter
Staatstheater Kassel, TIF 7 Mit Liebe und Freude dem Absurden des Lebens begegnen? Oder doch hart wie ein Stein sein? Der Stein des Sisyphos? Und wie oft muß man Camus gelesen und gesehen haben, um ihn zu verstehen?
Lilja 4-ever A: Lukas Moodysson
R: Simon Solberg
Nationaltheater Mannheim, Studio Werkhaus 9 Zweifelte man lange an der Umsetzbarkeit der im Film gespürten Härte auf die Bühne, so rief man beim Schlußapplaus nur deshalb nicht Bravo, weil man im Angesicht der selbst da noch leidenden Lilja gegen die eigenen Tränen anzukämpfen hatte.
Juni Lohengrin K: Richard Wagner
R: Ulrich Schwab
D: Axel Kober
Nationaltheater Mannheim, Opernhaus 7 Warum fällt es so schwer, sich mit dem Helden in der Oper zu identifizieren? War man etwa auch von der Boshaftigkeit Ortruds verführt worden, selbst wenn diese spielte, als sei sie einem Stummfilm entsprungen? Und hatte es einen tieferen, dann nicht erkannten Sinn, die Handlung um neun Jahrhunderte in die schwarz-rot-goldene Epoche zu verschieben?
Oktober Parsifal K: Richard Wagner
R: Sandra Leupold
D: Catherine Rückwardt
Staatstheater Mainz, Großes Haus 9 Der erste Aufzug mit seinen zahlreichen inszenatorischen Details war das interessanteste und herausforderndste, was man bisher in der Oper gesehen hat. Ebenso unterhaltsam der zweite Akt mit den verführerisch bunten Blumenmädchen sowie einem Klingsor, der nicht in seiner Nebenrolle verschwand, sondern auch seine Gefühle zeigen durfte - ein Mensch wie alle. Und bezüglich der rechten Wertschätzung für die gefühlsbetonte Dreisamkeit Gurnemanz', Kundrys und Parsifals im dritten Teil hofft man bereits jetzt auf eine Wiederaufnahme in der nächsten Spielzeit.
Tannhäuser K: Richard Wagner
R: Peter Konwitschny
D: Peter Schneider
Semperoper Dresden 9 Wenige Tage nach der bisher besten Regie nun die beste musikalische Darbietung: Stephen Gould als Tannhäuser war überragend, sei's nun mit Pathos, Gefühl oder im Leiden, einzel oder im Duett, dazu ein Orchester, das den Zuhörer immer wieder in der Musik versinken ließ, das Ganze umrahmt vom Ambiente der Semperoper. Kann man sich bei so vielen Eindrücken noch auf die Inszenierung konzentrieren?
November La Juive K: Fromental Halévy
R: John Dew
D: Thomas Peuschel
Staatstheater Darmstadt, Großes Haus 8 In Zukunft sollte es kein Zufall mehr sein, daß man gerade am Vorabend des 9. November sehen muß, wie Juden eingekerkert, verbrannt und erhängt werden. Erschaudernd und schockierend!
Mutter Courage und ihre Kinder A: Bertolt Brecht
R: Andrej Woron
Staatstheater Darmstadt, Kleines Haus 7 Trotz interessanten Bühnenbilds und guter Schauspieler blieben die Bühnenfiguren seltsam unnahbar und erschienen emotionslos. Täuschung? Oder Absicht? Vielleicht um den Schwerpunkt auf die Handlung selbst zu legen und so der im Programmheft erwähnten Intention Brechts gerecht zu werden, wonach es nicht darum geht zu zeigen, was die Menschen aus dem Krieg lernen, sondern daß sie nichts daraus lernen.
Tristan und Isolde K: Richard Wagner
R: Johannes Felsenstein
D: Golo Berg
Anhaltisches Theater Dessau 9 O höchste Ergriffenheit!
Dunkelste Nacht
einz'ger Augen-Blick.
Dezember Hitchcocks 'Die 39 Stufen' A: John Buchan, Alfred Hitchcock
R: Caroline Stolz
Staatstheater Wiesbaden, Wartburg 10 Kino trifft Theater - einschließlich Werbung, Bioeis und Abspann. Unterhaltsam wie der Mainzer Tristan, und daher zurecht ebenfalls die Höchstnote.
Die Kaperer A: Philipp Löhle
R: Maria Åberg
Staatstheater Mainz, TiC 8 Der arme, liebenswerte Okö-Spinner mit dem Haarriß in der Glühbirne seiner Liebe - doch daß unerwartet eine Birne der Bühnenbeleuchtung mit einem lauten Knall implodierte, zeigt, daß nicht alles, was verrückt ist, auch irreal sein muß.
Die Meistersinger von Nürnberg K: Richard Wagner
R: John Dew
D: Constantin Trinks
Staatstheater Darmstadt, Großes Haus 8 Ehrt Eure Demokratie, damit sie erhalten bleibe, denn sie ist es, die das Volk beteiligt, den Jungen die Möglichkeit bietet, neue Wege zu gehen, und auch jene wieder einzubinden versteht, die sich wie Sixtus Beckmesser von ihr abgewendet haben. Eine überzeugende Inszenierung, in der einzig der zwischen Heinz Ehrhardt und Heinz Rühmann spielende Walther von Stolzing störte.


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